Rentier
Das Ren (gesprochen auch,) oder Rentier (Rangifer tarandus), vormals Renntier, ist eine Säugetierart aus der Familie der Hirsche (Cervidae). Es lebt zirkumpolar im Sommer in den Tundren und im Winter in der Taiga Nordeurasiens und Nordamerikas sowie auf Grönland und anderen arktischen Inseln. Es ist die einzige Hirschart, die domestiziert wurde.
Die nordamerikanischen Vertreter der Rentiere werden als caribou (auf Deutsch Karibu geschrieben) bezeichnet, ein Wort aus der Sprache des indigenen Volkes der Mi’kmaq.
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Beste HörnerDie Größe schwankt mit dem Verbreitungsgebiet. Die Kopf-Rumpf-Länge kann 120 bis 220 Zentimeter betragen, die Schulterhöhe 90 bis 140 Zentimeter, das Gewicht 60 bis 300 Kilogramm. Das Fell ist dicht und lang, dunkel-graubraun oder, besonders bei domestizierten Tieren, hell; im Winter ist es generell heller als im Sommer. Die auf hocharktischen Inseln Kanadas, vor allem auf der Ellesmere-Insel lebenden „Peary-Karibus“ tragen ganzjährig ein fast rein weißes Fell. Die Färbung dient als Tarnung vor Fressfeinden; die dichte Unterwolle schützt im arktischen Klima vor Kälte.
Die Geweihe sind stangenförmig, verzweigt und charakteristisch nach vorne gebogen; nur die tiefste Sprosse der männlichen, unkastrierten Tiere bildet am Ende eine Verbreiterung, auch als „Schneeschaufel“ bezeichnet, da man früher annahm, das Ren räume mit ihr den Schnee beiseite. Die Formgebung der Geweihe ist unregelmäßig, asymmetrisch und bei jedem Tier unterschiedlich. Als einzige Hirschart trägt beim Ren auch das Weibchen ein Geweih. Das des Männchens ist mit einer Länge von 50 bis 130 Zentimeter ausladender gegenüber nur 20 bis 50 Zentimetern beim Weibchen. Männliche Tiere werfen ihr Geweih im Herbst ab, Weibchen erst im Frühjahr. Das Abwerfen erfolgt gewöhnlich nicht zugleich beidseitig, so dass das Ren vorübergehend eine Geweihstange trägt.
Die Hufe der Rentiere sind breit und durch eine Spannhaut weit spreizbar. Außerdem sind lange Afterklauen ausgebildet. Dies ermöglicht den Tieren im oft steinigen oder schlammigen Gelände sicheren Tritt.
Rentiere zählen zu den am weitesten nördlich lebenden Großsäugern. Sie bewohnen große Teile des nördlichen Nordamerika und Eurasien. Selbst auf hocharktischen Inseln wie Spitzbergen, der Ellesmere-Insel und Grönland kommen Rentiere vor. Um dem arktischen Winter zu entgehen, unternehmen die Renherden, wo dies möglich ist, große Wanderungen, manche bis zu 5000 Kilometern – die längste regelmäßige Wanderung von Landsäugern überhaupt.
Auf dem europäischen Festland gibt es nur noch in der norwegischen Hardangervidda eine kleine Population des Wildrens. Bei den großen Rentierherden Lapplands und Nordostrusslands handelt es sich ausschließlich um (geringfügig) domestizierte, „halbwilde“ Rentiere, die etwa unter der Obhut der Samen stehen.
In Nordkanada reicht das Verbreitungsgebiet der Rentiere (Karibus genannt) weiter in den Süden, also in die boreale Zone. Die weiteste Verbreitung hatte das Ren in der letzten Kaltzeit; damals drang es bis zu den Pyrenäen und an die heutige mexikanische Nordgrenze vor. Mit der Erwärmung am Ende der letzten Kaltzeit begann eine Habitatverlagerung nach Norden, wobei sich das Rentier noch lange in gemäßigteren Zonen aufhielt. Vermutlich waren Menschen für das Verschwinden der Tiere aus den gemäßigten Zonen mitverantwortlich; allerdings waren die Bestände ohnehin im Abnehmen begriffen.
Auf den britischen Inseln starb das Rentier vor rund 10.000 Jahren aus. 1952 wilderte der Same Mikel Utsi 29 Tiere in der schottischen Berggruppe Cairngorms aus; heute leben dort etwa 130 Rentiere. Eine Herde von rund 80 Tieren lebt auf dem Gelände der Glenlivet-Brennerei.
Als Neozoon wurde das Rentier auf den Kerguelen eingeführt. Dies war auch in Südgeorgien der Fall, wo die Tierart 2014 durch norwegische Scharfschützen, die von der südgeorgischen Verwaltung unterstützt wurden, jedoch erfolgreich wieder ausgerottet werden konnte, nachdem sie viel Schaden an der Pflanzendecke angerichtet hatte.
Rentiere sind Herdentiere. Sie finden sich zu den jahreszeitlichen Wanderungen zusammen und können gebietsweise mehrere 100.000 Tiere umfassen; aus Alaska ist eine Herde mit 500.000 Tieren bekannt. Die weltweit größte Rentierherde war zeitweise die George-River-Herde im Osten Kanadas, die inzwischen von ehemals rund 900.000 Tieren (1980er Jahre) auf 70.000 (2011) geschrumpft ist. Nach den Wanderungen lösen sich die Herden in kleinere Verbände zu zehn bis hundert Tieren auf. Diese Gruppen mit einer Hierarchie, die sich nach der Geweihgröße richtet, bestehen meistens entweder nur aus Männchen oder nur aus Weibchen. Gelegentlich wird die Hierarchie durch ritualisierte Kämpfe entschieden.
Zur Zeit der Paarung im Oktober versuchen Männchen, einen Harem um sich zu sammeln. Sie paaren sich mit so vielen Weibchen wie möglich. Nach einer Tragezeit von ungefähr 230 Tagen bringt das Weibchen ein einziges Junges zur Welt. Die Geburt erfolgt im Mai oder Juni. Das Jungtier ist, anders als die meisten Hirschkälber, nicht gefleckt und schon kurz nach der Geburt selbständig. So kann es bereits nach einer Stunde laufen. Sofern es trocken bleibt, wird das Junge durch sein aus luftgefüllten Haaren bestehendes Fell vor Kälte geschützt. Bei nasskaltem Wetter ist die Sterblichkeit der Kälber hoch, obwohl Rentierkälber ihre Wärmeerzeugung um das Fünffache beschleunigen können und damit über außergewöhnliche thermoregulatorische Fähigkeiten verfügen. Geschlechtsreif werden die Tiere nach zwei Jahren. Durchschnittlich werden sie etwa 12 bis 15 Jahre alt, gelegentlich auch mehr als 20 Jahre.
Rentiere sind vor allem Grasfresser; im Sommer nehmen sie fast jede pflanzliche Kost zu sich, die sie finden können. Im Winter sind sie durch Schnee und Eis überwiegend auf Rentierflechten, Moose und Pilze beschränkt.
Die natürlichen Feinde des Rens sind Wölfe, Vielfraße, Luchse und Bären. Gesunde Tiere wissen sich allerdings diesen Feinden durch ihre Laufstärke zu entziehen; so fallen den Raubtieren gewöhnlich nur kranke und geschwächte Rentiere zum Opfer. Die größte Plage stellen Innen- und Außenparasiten dar, vor allem die Myriaden von arktischen Stechmücken. Darüber hinaus hat auch die industrielle Erschließung ihres Weidelandes Auswirkungen auf ihr Überleben, wie am Beispiel der George-River-Herde vermutet.
Rentiere sind Pflanzenfresser (Blattfresser, Grassfresser) und ernähren sich im Winter hauptsächlich von Flechten, insbesondere von Rentierflechten. Sie fressen auch die Blätter von Weiden und Birken, sowie Seggen und Gräser.
Rentiere sind polygyn, d.h. ein Männchen paart sich mit mehreren Weibchen. Die Brutzeit findet im Oktober und Anfang November statt. Zu dieser Zeit nehmen die Männchen an Kämpfen teil, die sie erschöpft und verletzt zurücklassen. Dominante Männchen kontrollieren den Zugang zu Gruppen von 5 bis 15 Weibchen. Die Männchen stellen zu dieser Zeit die Nahrungsaufnahme ein und verlieren einen Großteil ihrer Körperreserven. Die Trächtigkeit dauert 210-240 Tage und es wird ein einziges Kalb geboren. Innerhalb einer Stunde nach der Geburt sind die Kälber in der Lage, hinter ihrer Mutter herzulaufen, und im Alter von einem Tag sind sie in der Lage, schnell zu laufen. Mit einem Monat werden die Jungtiere entwöhnt und beginnen mit dem Weidegang, wobei sie bis zum Winter gelegentlich von ihrer Mutter gesäugt werden und dann völlig unabhängig werden. Rentiere werden fortpflanzungsfähig, wenn sie 1-3 Jahre alt sind.
Eine der größten Bedrohungen für das Rentier ist die Überjagung durch den Menschen in einigen Gebieten, die zum Rückgang der Populationen beiträgt. Menschliche Aktivitäten wie Kahlschlag in der Forstwirtschaft, Waldbrände, Rodungen für die Landwirtschaft, Straßen, Eisenbahnlinien und Stromleitungen stellen ebenfalls eine Bedrohung für den Lebensraum dieser Art dar. Die Erschließung von Öl- und Mineralvorkommen kann den Lebensraum des Rentiers ebenfalls bedrohen. Der Klimawandel in der Arktis ist eine weitere ernsthafte Bedrohung für diese Tiere.
Nach Angaben der University of Michigan (Museum of Zoology) beläuft sich die Gesamtpopulation des Rentiers auf etwa 5 Millionen Individuen. Laut der Roten Liste der IUCN liegt die Gesamtpopulation dieser Art bei 2.890.410 ausgewachsenen Tieren. Bestimmte Rentierpopulationen wurden in folgenden Gebieten geschätzt: Alaska - 660.000 Individuen; Kanada - 1,3 Millionen Individuen; Grönland - etwa 73.430 Individuen; Norwegen - 6.000 Individuen; Finnland - etwa 1.900 Individuen; Russland - 831.500 Individuen; Mongolei - weniger als 1.000 Individuen. Insgesamt werden die Rentiere derzeit auf der Roten Liste der IUCN als gefährdet (VU) eingestuft, und ihre Zahl ist heute abnehmend.
Rentiere haben einen dramatischen Einfluss auf die Vegetation in ihrem Verbreitungsgebiet. Sie sind wichtige Beutetiere für Bären, Wölfe und andere große Prädatoren, vor allem während der Zeit des Kalbens.
Es ist unbekannt, welches Volk zuerst Rentiere domestizierte. Die Nutzung des Rens verbreitete sich um 1000 v. Chr. von Sibirien nach Skandinavien. Das Vorbild dieser spätesten Domestikation eines Großsäugers lieferten offenbar nach Norden vorgedrungene Viehhalter aus bäuerlichen oder viehzüchterischen Kulturen. In Nordeuropa waren die Samen auf diesem Gebiet erfolgreich. Bis zum 17. Jahrhundert wurden Rentiere vor allem als Last- und Zugtiere genutzt, wie zum Teil heute noch von den Ethnien der sibirischen Taiga, die zudem Rentiermilch gewinnen. Die anschließende Ausweitung der Domestizierung auf ganze Herden fand erst durch den Zwang zu höheren Steuerzahlungen an die Kolonialherren statt. Noch heute wird in Lappland, Nordrussland und großen Teilen Sibiriens Rentierwirtschaft betrieben (vielfach halbnomadisch, sehr selten noch vollnomadisch). In Norwegen und Schweden ist sie ein Privileg der Samen, in Finnland wird sie hauptsächlich von Finnen ausgeübt. Die Herden wandern frei umher, die Menschen folgen ihnen. Die Rentiere werden zu festgelegten Zeiten zusammengetrieben, um die Kälber zu markieren oder ausgewählte Tiere zu schlachten. Das Zusammentreiben großer Herden wird heute teilweise mittels Hubschraubern und/oder Motorschlitten erledigt.
Da Rentiere Niedrigsttemperaturen ertragen, hat man noch im 20. Jahrhundert domestizierte europäische Rentiere in Grönland, Alaska und Kanada eingeführt, wo die einheimischen Völker zuvor nur Wildrene (Karibus) gejagt und nie selbst domestiziert hatten. In Alaska schlug der Versuch fehl, da die Eskimos ihre Jägermentalität beibehielten. Auch auf einigen subantarktischen Inseln wurden Rentiere, ursprünglich von Walfängern, als jederzeit verfügbare Frischfleischquelle eingeführt. Nachdem die Rentiere in Südgeorgien 2013 und 2014 wieder entfernt worden waren, weil die Verbissschäden an der Inselvegetation zu groß waren, befindet sich heute die südlichste und nunmehr einzige Rentierpopulation der Südhalbkugel auf den Kerguelen.
Sie ertragen jedoch höhere Temperaturen nicht gut. In den 2010er Jahren sind die Eisfelder auf Sommerweiden mongolischer Rentierzüchter stärker zurückgegangen als zuvor, so dass den Rentieren, die durch höhere Temperaturen ohnehin belastet sind, sogar die Möglichkeit einer Abkühlung fehlt. Zudem gedeihen blutsaugende Insekten besser in den höheren Temperaturen und setzen den ohnehin durch Hitzestress geschwächten Rentieren stärker zu. Die Tradition der rentierzüchtenden Nomaden in der Mongolei ist durch die Erhöhung der Temperatur gefährdet. Das größte Problem für die Zukunft der Rentiere bereitet der Klimawandel jedoch durch immer häufigere Regenfälle im Winter: Wenn das Wasser auf der Schneedecke gefriert, kommen die Rentiere nicht mehr an ihr Futter und müssen hungern. Dies hat in einigen Fällen bereits zum Verhungern hunderter Tiere geführt.
Domestizierte Rentiere sind im Gegensatz zu wilden Renern nicht scheu; im nördlichen Finnland oder Schweden laufen oder stehen sie häufig auf den Landstraßen und verlassen sie auch nicht, wenn ein Auto kommt. Man kann daher auf etwa ein bis zwei Meter an sie heranfahren, ohne dass die Tiere fliehen. Zu Fuß ist ein Abstand von weniger als fünf bis zehn Metern allerdings nur bei Tieren möglich, die Menschen gewohnt sind.
Die Haltung in Tierparks außerhalb ihres Lebensraumes ist nicht ganz einfach, da neben Luzerne- und Grasheu immer auch Moose oder Flechten verfüttert werden müssen, deren Beschaffung aufwändig ist.